Wenn sich transplantierte Zellen gegen den Körper wenden – Chronische Graft-versus-Host-Erkrankung

Veröffentlicht am: 11. März 2024
Chronische Graft-versus-Host-Erkrankung: Wenn sich transplantierte Zellen gegen den Körper wenden
istockphoto/StefaNikolic
Eine Stammzelltransplantation kann bei manchen Blutkrebserkrankungen wie Leukämien Leben retten, insbesondere wenn Chemo- und Radiotherapien nicht die gewünschte Wirkung erzielen. Die transplantierten Stammzellen eines fremden, gesunden Spenders oder einer Spenderin können sich im Erfolgsfall in gesunde Blutzellen entwickeln. (1) Doch die Suche nach passenden Spendenden kann eine Herausforderung sein und eine Transplantation ist nicht ohne Risiken. Die sogenannte „Graft-versus-Host-Disease“ oder „Graft-versus-Host-Erkrankung“ (GvHD) kann als Folge einer Transplantation fremder Stammzellen auftreten. Dabei erkennen die sich im Transplantat befindlichen reifen Immunzellen (Graft) den Empfänger (Host) als fremd und greifen verschiedene Gewebe und Organe an. (2, 3, 4)

Hören statt lesen – hier gibt es die Story auf die Ohren:

Was sind Stammzellen und wann benötigt man eine Transplantation?

Stammzellen ist ein Oberbegriff für Zellen, die sich in mehrere Zellarten differenzieren können. Dieser Zelltyp spielt nicht nur in der embryonalen Entwicklung, sondern auch im Erwachsenenalter noch eine wichtige Rolle. Diese sogenannten adulten Stammzellen dienen als spezialisierte Reservezellen, die sich im Gegensatz zu embryonalen Stammzellen nur noch in bestimmte Zelltypen entwickeln können. (5, 6) Unter anderem sind sie für die Blutbildung unverzichtbar: Stammzellen im Knochenmark bilden bis zu 300 Milliarden Blutzellen pro Tag. (7) Kommt es zu einer Erkrankung des blutbildenden Systems im Knochenmark, kann das gravierende Folgen haben und eine Blutstammzell- oder Knochenmarks-Transplantation notwendig machen. Ein solcher Eingriff ist oft die letzte Therapieoption, wenn Chemo- und Strahlentherapien nicht die gewünschte Wirkung zeigen. (1)

Bei der Behandlung von manchen Blutkrebserkrankungen kann es notwendig sein, das Immunsystem mit einer Chemotherapie zu zerstören, damit fremde, transplantierte Stammzellen nicht vom Körper abgestoßen werden. Blutstammzelltransplantationen können dann dabei helfen, das Immunsystem wieder aufzubauen und gesunde, neue Blutzellen zu bilden.  Die neuen Immunzellen können zudem verbliebene Krebszellen zerstören und somit einem Rückfall der Erkrankung vorbeugen. Diese oft lebensrettende Maßnahme ist jedoch mit Risiken und oft auch mit ernsthaften Nebenwirkungen verbunden. (1)

Man begleitet die Patienten und versucht natürlich die zugrunde liegende Erkrankung im Zaum zu halten. Aber man kommt an einen Punkt, wo der Patient wirklich in einer lebensbedrohlichen Situation ist. Und wenn man dann nicht transplantiert, könnte der Patient an der Grunderkrankung sterben. Deswegen muss man dann diese drastische Entscheidung treffen. (8)
Dr. Christiane Look

Dr. Christiane Look

Leiterin der medizinischen Abteilung für Transplantations-, Herz-Kreislauf- und Schilddrüsentherapien bei Sanofi

Die chronische Graft-versus-Host-Erkrankung stellt eine solche ernstzunehmende Reaktion dar und kann nach der Transplantation von Blutstammzellen auftreten. Dabei richten sich die vom Spendenden transplantierten Immunzellen gegen den eigenen Organismus. Sie erkennen das Gewebe der Empfänger*innen als fremd – die Folge ist eine Immunreaktion, die sich in verschiedenen Symptomen äußern kann. Dies passiert, weil die Patient*innen durch die vorherigen Behandlungen quasi kein eigenes Immunsystem mehr haben – also immunsuppressiv sind. (2, 4, 9)

Gesundheit & Innovation – der Podcast

In der neuen Podcast-Folge von „Gesundheit & Innovation“ erklärt Christiane Look, Leiterin der medizinischen Abteilung für Transplantations-, Herz-Kreislauf- und Schilddrüsentherapien bei Sanofi, die Entstehung und Auswirkungen der Graft-versus-Host-Disease. Jetzt reinhören!

Bis zu 50 Prozent der Transplantierten entwickeln eine chronische GvHD

Häufig tritt eine GvHD nach einer Blutstammzelltransplantation bei Leukämie-Patient*innen auf. (3, 4, 10) Man unterteilt die Erkrankung in eine akute Form, die sich innerhalb der ersten 100 Tage nach einer Transplantation manifestiert, und eine chronische Form. Dieser Subtyp der GvHD beginnt in der Regel erstmals nach Tag 100 nach der Transplantation. (2, 11) In ca. 50 Prozent der Fälle entwickeln Patient*innen die chronische Form der Erkrankung. (2, 4)

Vielfältige Symptomatik bei GvHD
Vielfältige Symptomatik bei der Chronischen Graft-versus-Host-Erkrankung

Fast jedes Organ kann von einer chronischen GvHD-Reaktion betroffen sein. Häufig kommt es zu Hautveränderungen, schweren Durchfällen mit Gewichtsverlust, Gelenkschmerzen oder
-steifheit, zu einer Vergrößerung der Leber oder entzündlichen Veränderungen des Lungengewebes. Die Symptomatik ist demnach sehr unterschiedlich und unspezifisch. Dies erschwert die Diagnose und Abgrenzung zu anderen Erkrankungen. (2, 4, 11, 12)

Zusätzlich zu den physischen Symptomen erleben die Patient*innen häufig psychische und mentale Belastungen durch die starke Einschränkung der Lebensqualität und die vielen Medikamente. Auch die Angst vor einer Rückkehr der Grunderkrankung ist ein ständiger Begleiter von Patient*innen mit GvHD. Deshalb ist es extrem wichtig, dass die Patient*innen gut betreut werden und bei Bedarf psychologische Unterstützung erhalten. (8)

Symptomorientierter Therapieansatz

Die optimale Behandlung der GvHD hängt von einigen wesentlichen Faktoren ab und gestaltet sich daher sehr individuell. Die Behandlung ist unter anderem abhängig vom Leidensdruck, dem Alter der Patient*innen sowie von den betroffenen Organen. (13)

Bei einer milden Form und Veränderungen der Haut kommt häufig eine topische (oberflächliche) Behandlung zum Einsatz, etwa in Form von entzündungshemmenden Cremes. Bei schwerem Verlauf und chronischen Entzündungsprozessen ist eine immunsuppressive Therapie, die das Immunsystem und somit die unerwünschte GvHD-Reaktion unterdrückt, unerlässlich. Diese wird zunächst mit Kortison-Präparaten durchgeführt. Zusätzlich werden Lokaltherapien von betroffenen Organen angewandt. (2, 4, 13)

Wichtig für Patient*innen, die sich einer Stammzellentransplantation unterziehen ist, Symptome frühzeitig zu erkennen und behandeln zu lassen, um persistierende Entzündungsreaktionen einzudämmen und somit ein Fortschreiten des Entzündungsprozesses zu verhindern. Eine prophylaktische Behandlung wird vor der Therapie mit Immunsupressiva, die die Aktivität des Immunsystems eindämmen sollen oder nach der Behandlung mit infektionshemmenden Medikamenten durchgeführt. (13) Sanofi investiert in Forschung und Entwicklung in der Transplantationsmedizin, um neue Versorgungsstandards für Patient*innen zu setzen.

GvHD als erwünschte Therapieform – die Graft-versus-Tumor-Reaktion

Die Immunreaktion der GvHD kann in milder Form durchaus erwünscht und Teil der Therapie sein.

Denn die Immunzellen der Spendenden greifen auch verbliebene, bösartige Krebszellen an, die eine vorherige Therapie überlebt haben. Dieser Angriff eines fremden Immunsystems auf Krebszellen in Form einer Graft-versus-Tumor-Reaktion kann heute gezielt in der Therapie eingesetzt werden. (3, 14, 15)

GvHD

  • Die GvHD (Graft-versus-Host-Disease) kann nach allogener Stammzelltransplantationen bei der Behandlung von Blutkrebserkrankungen wie Leukämien oder bei Lymphomen auftreten. (2, 4, 9)
  • Immunzellen von Spendern können sich gegen den eigenen Organismus richten (2, 4, 9)
  • Die cGvHD wird i.A. unterteilt in akute (< 100 Tagen nach Transplantation) und chronische Form (> 100 Tage nach Transplantation) (2, 11)
  • Die Chronische GvHD zeigt kann eine vielfältige und unspezifische Symptomatik zeigen. (2, 11)
  • Oft kommt immunsuppressive Therapie mit Kortison-Präparaten zum Einsatz. (2, 4, 13)
  • Die GvHD in milder Form ist gewünschter Teil der Therapie – Spender-Immunzellen zerstören dabei verbliebene Krebszellen. (14, 15)

Stammzellenspende

  • Einsatz bei Erkrankungen des blutbildenden Systems, z.B. Leukämien. (1)
  • Entartete blutbildende Zellen werden zunächst durch Chemotherapie weitestgehend zerstört und dann durch fremde, gesunde Stammzellen von Spender*innen ersetzt. (1)
  • Herausforderung: Stammzellen von Spender*innen müssen mit denen der Patient*innen in bestimmten Gewebemerkmalen sehr genau übereinstimmen. (16)
  • Jede gesunde Person zwischen 18 und 60 Jahren, die mindestens 50kg wiegt, kann sich als Spender*in bei der DKMS registrieren lassen. (16)
  • Zunächst ist jedoch eine Typisierung notwendig (für die Erfassung spezifischer Gewebemerkmale) durch Abstrich der Mundschleimhaut – Slogan – „Stäbchen rein, Spender sein.“ (16)
  • Ein Eintrag in die DKMS-Datenbank verpflichtet nicht zu einer späteren Spende. (16)
  • Link zur Registrierung: https://www.dkms.de/informieren/medizin-forschung/so-wirst-du-stammzellspender-in

 

Dem Krebs die Stirn bieten

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Krebs derzeit noch zu einer der häufigsten Todesursachen weltweit. Und mit der immer älter werdenden Bevölkerung nimmt leider auch die Zahl der bösartigen Tumorerkrankungen kontinuierlich zu. Dementgegen stehen allerdings die immer bessere Früherkennung sowie viele innovative Therapien, die zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Erkrankung beitragen. So muss die Diagnose Krebs heute nicht zwangsläufig zum Tod führen.

Weitere Informationen

Weitere News & Storys von Sanofi in Deutschland

Erfahren Sie mehr über unsere Aktivitäten und Anstrengungen – egal ob aktuell, informativ oder unterhaltend.

Quellen

  1. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/aktuelle-themen/aktuelle-themen-2016/leukaemien-wie-eine-stammzellspende-leben-retten-kann.html  zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  2. https://flexikon.doccheck.com/de/Graft-versus-Host-Reaktion, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  3. https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/patienten/behandlung/behandlungsmethoden/pohkinderkrebsinfostammzelltransplantation/komplikationen/gvh_krankheit/index_ger.html zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  4. https://www.onkopedia.com/de/onkopedia/guidelines/graft-versus-host-erkrankung-chronisch/@@guideline/html/index.html zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  5. https://stammzellen-verstehen.de/Grundlagen/Stammzelltypen.aspx, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  6. https://flexikon.doccheck.com/de/Stammzelle, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  7. https://www.wissensschau.de/stammzellen/adulte_stammzellen.php, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  8. Transkript Podcast GvHD
  9. https://www.transplantation-verstehen.de/spezialthemen/allogene-blutstammzelltransplantation/das-erste-jahr, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  10. https://www.krebsgesellschaft.de/onko-internetportal/basis-informationen-krebs/therapieformen/stammzelltransplantation.html, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  11. https://www.uniklinikum-jena.de/kim2_media/H%C3%A4maOnko/Patienten_%C3%84rzte/KMT/Patientenmappe_Stamzelltransplantation+2021.pdf, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  12. https://www.aerzteblatt.de/archiv/110558/Klinische-Versorgung-der-chronischen-Graft-versus-Host-Krankheit#:~:text=Die%20cGVHD%20der%20Haut%20kann,Schuppung%20sowie%20Hypo%2D%20oder%20Hyperpigmentierung, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  13. https://www.gelbe-liste.de/krankheiten/graft-versus-host-erkrankung, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  14. https://flexikon.doccheck.com/de/Graft-versus-Leukemia-Reaktion#:~:text=Die%20Graft%2Dversus%2DLeukemia%2D,woraus%20ein%20kurativer%20Effekt%20resultiert, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  15. https://www.pharmazeutische-zeitung.de/ausgabe-332012/attacke-des-fremden-immunsystems/, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
  16. https://www.aok.de/pk/magazin/koerper-psyche/krebs/stammzellenspende-wie-laeuft-das-ab/, zuletzt aufgerufen am: 08.02.2024
MAT-DE-2400744-1.0-02/2024