Von der Diagnose zum selbstbestimmten Leben – Julias Weg mit Multipler Sklerose

Veröffentlicht am: 21. Mai 2024
Von der Diagnose zum selbstbestimmten Leben – Julias Weg mit Multipler Sklerose
„Ich war jung und ich wollte so viel, doch ich konnte es einfach nicht“ - So wie Julia fühlen sich zunächst viele Menschen mit Multipler Sklerose. Sie ist eine von über 280.000 MS-Patient*innen in Deutschland. [1,2] Julia verrät, wie sie nach der Diagnose den Weg zurück zu sich selbst gefunden hat.

Julia ist 32 Jahre alt, gelernte Kosmetikerin und hat seit vier Jahren die Diagnose Multiple Sklerose (MS). Ihre ersten Symptome bemerkte sie noch vor ihrem 18. Lebensjahr, also lange vor ihrer Diagnosestellung. Sie war jung und wollte gerade richtig durchstarten, doch ihre Beschwerden wie Gleichgewichtsstörungen oder Schmerzen in den Beinen wurden stärker und ihr Alltag immer mehr zu einer Herausforderung. In dieser Zeit verdrängte Julia die Erkrankung. Sie war wütend, auf sich selbst und ihren Körper, auf alles, was nicht mehr so funktionierte wie vorher. Sie schob die Symptome zur Seite, indem sie mehr auf Partys ging und die Symptome „überschminkte“. Alles sollte nach außen normal wirken. „Ich wollte nicht, dass mir jemand die Fatigue ansieht oder an meinen Augenringen ablesen konnte, wie viel ich in den letzten 24 Stunden geweint hatte“, erinnert sich Julia.

Hören statt lesen – hier gibt es die Story auf die Ohren:

Was sind die Frühsymptome von MS?

Rund 280.000 Menschen sind in Deutschland von Multipler Sklerose betroffen. [1,2] Doch was ist MS eigentlich genau und welche Symptome zeigen sich zu Beginn der Erkrankung?

Bei der MS handelt es sich um eine chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS), also des Gehirns und des Rückenmarks. Sie tritt gehäuft bei jungen Menschen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr auf. Die Symptome bei MS sind sehr vielfältig und individuell, was es erschweren kann, die Krankheit zweifelsfrei zu diagnostizieren. Gerade im frühen Stadium der Erkrankung kommt es häufig zu motorischen Störungen, also beispielsweise zu Lähmungen oder Sehstörungen. Auch Gefühlsstörungen der Haut wie Kribbeln oder Taubheit, Konzentrationsstörungen oder eine schnelle Erschöpfbarkeit (Fatigue) gehören zu den frühen Symptomen der MS. [3]

Julia nach der MS-Diagnose und der Weg zurück zu sich selbst

Vor der Diagnose verdrängte Julia ihre Erkrankung. Sie lebte eine Version von sich, die sie eigentlich nicht war und nicht sein wollte. Eine Version, die ihr rückblickend nicht guttat. Mit der Diagnosestellung vor vier Jahren änderte sich für Julia alles – ihr Leben, das sie kannte, machte eine Pause – und so legte sich durch die Diagnose ein „Schalter“ bei ihr um, der ihr mehr Optimismus verlieh.

„Nachdem mir die Erkrankung durch die Diagnosestellung beim Namen genannt wurde, bin ich mit mir umgegangen, wie mit einer guten Freundin, die man an die Hand nimmt und für die man da ist.“

Julia änderte ihre Einstellung zu sich selbst und auch zu ihrem Körper und ihrer Erkrankung. Sie akzeptierte Dinge, die nicht mehr möglich waren, aber sie fand stattdessen Kraft im Spazieren gehen oder Rad fahren. Der liebevolle Umgang mit sich selbst tat ihr gut. Sie entschuldigte sich bei ihrem Körper mit Worten und Taten: „Ich habe meine Ernährung umgestellt, ich habe Baustellen bearbeitet, die schon lange überfällig waren, ich habe viel getan was sich einfach sehr gut für mich angefühlt hat und mich selbst umarmt“.

Geholfen hat ihr dabei ihr Golden Retriever, der 2020 Teil ihrer Familie wurde. Er nahm ihr die Angst davor, ihren sicheren Kokon zu verlassen, in den sie sich nach Ihrer Diagnose zunächst zurückgezogen hatte. Sie ging wieder mehr raus, begann die Natur und lange Spaziergänge in ihren Alltag einzubauen. Julia fühlte sich wieder wohler.

Dieser Hund hat mir ein Geschenk mitgebracht … und das ist Leben, sagt Julia.

"Dieser Hund hat mir ein Geschenk mitgebracht … und das ist Leben", sagt Julia.

Julia akzeptierte sich selbst und begann, ihre Krankheit als Teil von sich zu sehen: „Heutzutage gibt es mich in allen Formen, Farben und Facetten, die die Schmink- und Kleidungskiste so hergibt. Mal sehe ich aus, als hätte ich drei Tage in einem Braunkohlekraftwerk gehaust, mal wie aus dem Ei gepellt. Es gibt keinen perfekten Look für mich. Es gibt nur einen authentischen Look, der unterstreicht, wonach mir eben gerade ist.“

Kurz und knapp: Was passiert bei MS im Körper – die Demyelinisierung erklärt

  • Myelin ist eine schützende Schicht um Axone. Axone sind die Fortsätze der Nervenzellen, die elektrische Reizimpulse weiterleiten und in synaptischen Endigungen münden. Die Synapsen dienen als Verbindungsstellen zu anderen Zellen. [4]
  • Durch die Myelinschicht werden elektrische Signale schnell weitergeleitet und die Übertragungsgeschwindigkeit des Axons signifikant erhöht. Dies ist wichtig für eine effektive Kommunikation zwischen Nervenzellen. [4,5,6]
  • Die Myelinschicht ist unterbrochen von Schnürringen, der Reiz springt quasi von Schnürring zu Schnürring, dies gewährt eine sehr schnelle Reizweiterleitung. [6]
  • Bei MS wird diese Myelinschicht an unterschiedlichen Stellen im ZNS angegriffen und zerstört, auch die Nervenzellfortsätze (Axone) selbst können von der Schädigung betroffen sein. [5,6]
  • Dies geschieht durch eine Fehlsteuerung innerhalb des Immunsystems; MS ist eine Autoimmunerkrankung. [2]
  • Durch den Angriff der Immunzellen kommt es zu multiplen Entzündungen im ZNS. [2]
  • Die Folge ist, dass Nervenimpulse nicht mehr oder langsamer weitergeleitet werden, Symptome wie Empfindungs- und Bewegungsstörungen können auftreten.
Intakte Reizweiterleitung entlang der Nervenfaser (Axon) (links). Gestörte Reizweiterleitung mit beschädigter Myelinschicht (rechts).

Intakte Reizweiterleitung entlang der Nervenfaser (Axon) (links). Gestörte Reizweiterleitung mit beschädigter Myelinschicht (rechts).

MS jenseits von Schüben – Die Herausforderung der schwelenden Neuroinflammation

Neuen Erkenntnissen zufolge tritt die Behinderungsprogression bei aktiv schubförmiger MS (RMS) überwiegend unabhängig von Schüben auf (Progression independent of relapse activity; PIRA). Wie ist das zu erklären? Bei MS gibt es neben der akuten Entzündung auch eine chronische Entzündung. Diese chronische Entzündung, die sogenannte schwelende Neuroinflammation, kann bei jedem MS-Krankheitstyp und im gesamten Verlauf der Erkrankung auftreten. [7,8,9]

Bei der akuten Entzündung dringen körpereigene Immunzellen (B- / T-Lymphozyten) über die Blut-Hirn-Schranke ins ZNS ein. Dort zerstören sie die Myelinschicht. Diese herdförmigen Läsionen sind örtlich begrenzt und stellen eine akute Entzündung dar. [10] In der Folge zeigt sich klinisch das Bild der typischen MS-Krankheitsschübe.

Die chronische Entzündung hingegen findet ausschließlich innerhalb des ZNS statt, also hinter der Blut-Hirn-Schranke. Beteiligt sind hier vermutlich auch Zellen des angeborenen Immunsystems im Gehirn – die Mikroglia. Die eigentliche Aufgabe der Mikroglia ist es, dass sie als Immunzellen des ZNS eine neuroprotektive Funktion haben, also Nervenzellen schützen und Abfallstoffe beseitigen. [8] Bei der MS können Mikroglia sich verändern sowie ihren Phänotyp wechseln und zu Antreibern der Entzündung werden. [8] In der Folge können schwelende, chronische Läsionen entstehen, die zum Fortschreiten der Erkrankung sowie der Behinderungsprogression beitragen können und im MRT als sogenannte „paramagnetic rim lesions“ (PRL) nachweisbar sind. [7] Die schwelende Neuroinflammation kann mit den aktuell zugelassenen Therapien nicht adressiert werden, es besteht daher ein großer Bedarf an neuen Therapieansätzen.

MS – eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Die Multiple Sklerose – kurz MS – ist eine neurologische Erkrankung, die mit vielen verschiedenen Symptomen einhergehen kann und von Patient*in zu Patient*in unterschiedlich verläuft. Aus diesem Grund wird MS auch die „Krankheit der 1000 Gesichter“ genannt.

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Quellen:

  1. https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-050l_S2k_Diagnose-Therapie-Multiple-Sklerose-Neuromyelitis-Optica-Spektrum-MOG-IgG-assoziierte-Erkrankungen_2024-01.pdf(letzter Zugriff: 16.4.2024)
  2. https://www.dmsg.de/multipl%20e-sklerose/was-ist-ms (letzter Zugriff: 16.4.2024)
  3. https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/symptome (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  4. https://www.uni-wuerzburg.de/aktuelles/pressemitteilungen/single/news/neurodegeneration-bei-myelin-erkrankungen-kein-myelin-ist-besser-als-schlechtes-myelin/ (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  5. https://www.amsel.de/multiple-sklerose/ (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  6. https://www.ms-begleiter.de/wissen/multiple-sklerose-was-ist-das (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  7. https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/smouldering-ms-was-ist-das/ (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  8. https://www.ms-begleiter.de/wissen/Smoldering-MS-ist-die-echte-MS-eine-schwelende-Erkrankung (letzter Zugriff: 16.04.2024)
  9. https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/krankheitsfortschritt-ohne-schuebe/ (Letzter Zugriff: 16.04.2024)
  10. https://www.amsel.de/multiple-sklerose/verstehen/zusammenhaenge-erkennen/ursachen-der-ms/ (letzter Zugriff: 16.04.2024)
MAT-DE-2401337-1.0-05/2024