Morbus Pompe – Leben mit einer seltenen Muskelerkrankung

Veröffentlicht am: 25. März 2024
Morbus Pompe – Leben mit einer seltenen Muskelerkrankung
Getty Images / Portra (mit KI bearbeitet)
Jede seltene Krankheit für sich genommen tritt, wie die Bezeichnung schon sagt, selten auf – zusammengenommen existieren jedoch etwa 8.000 sogenannte Rare Diseases [1]. Eine von ihnen ist die Muskelerkrankung Morbus Pompe. Sie kann in jedem Alter auftreten – mit einer Vielfalt an Symptomen, die nicht nur vom Zeitpunkt des ersten Erscheinens abhängt, sondern zwischen einzelnen Betroffenen stark variieren kann [2]. Unabhängig davon ist es wichtig, die Erkrankung möglichst schnell zu erkennen. [3] Um Menschen mit Morbus Pompe auf ihrem Weg zu begleiten und den Umgang mit der Erkrankung zu erleichtern, ist eines besonders relevant: das Wissen und die Unterstützung von Ärzt*innen, Angehörigen und der Öffentlichkeit.

Hören statt lesen – hier gibt es die Story auf die Ohren:

Morbus Pompe ist eine chronische und erbliche Erkrankung, die zur Gruppe der lysosomalen Speicherkrankheiten gehört [2,4]. Bei diesen Erkrankungen kommt es durch einen genetischen Defekt dazu, dass essenzielle Prozesse in den Lysosomen – die „Recyclingstationen“ der Zellen – gestört sind [2,4]. Die Funktionen von spezifischen Enzymen sind eingeschränkt. Dadurch geraten der Abbau und die Wiederverwendung bestimmter Stoffe im Körper aus der Balance [2,4].

Bei Morbus Pompe sind besonders die Muskelzellen betroffen, denn die Stoffe, die nicht ausreichend abgebaut werden können, lagern sich in diesen Zellen an und beeinträchtigen ihre Funktion. Die Muskelerkrankung tritt bei etwa einem Menschen von 40.000 bis 1:200.000 auf [5]. Damit ist die europäische Definition, nach der ein Krankheitsbild als selten gilt, wenn es weniger als eine von 2.000 Personen betrifft, „übererfüllt“ [6]. Jedoch wird Morbus Pompe, wie andere seltene Erkrankungen, durch häufigere und alltäglichere Krankheiten in den Schatten gestellt. Das führt dazu, dass es oft Monate oder gar Jahre dauert, bis Betroffene endlich die richtige Diagnose erhalten. [3]

Key facts:

Definition [2,4]

  • Morbus Pompe, auch bekannt als Glykogenspeicherkrankheit Typ II, ist eine seltene, erbliche Stoffwechselerkrankung.
  • Ursache ist ein Gendefekt, der zu einem Mangel oder einer Fehlfunktion eines wichtigen Enzyms in den Lysosomen führt: Die saure alpha-1,4 Glukosidase (GAA).
  • GAA ist für den Abbau von Glykogen (eine Speicherform des Zuckermoleküls Glukose) verantwortlich – bei Morbus Pompe funktioniert dies nicht mehr ausreichend.
  • Die Anhäufung von Glykogen besonders in den Muskelzellen führt zu Muskelschwäche, die fortschreiten und verschiedene Körperfunktionen beeinträchtigen kann.
  • Die Krankheit tritt in ihrer schwersten Form im Säuglingsalter auf, kann sich jedoch mit unterschiedlicher Intensität und verschiedenen Symptomen in jedem Alter zeigen.

Häufige Symptome [2,4,7]

  • Muskelschwäche, die zu Schwierigkeiten beim Gehen, Treppensteigen und allgemeinen Bewegungen führt.
  • Atembeschwerden aufgrund der Schwäche der Atemmuskulatur.
  • Bei der schweren Verlaufsform, die bereits im Säuglingsalter Symptome zeigt, tritt oft eine Herzmuskelschwäche auf, während die späte Form hauptsächlich die Skelett- und Atemmuskulatur betrifft.
  • Weniger eindeutige Symptome können Kopfschmerzen am Morgen, Erschöpfung während des Tages und ein schlechter Schlaf sein.

Hürden und Hinweise: Der Weg zur Diagnose

Die Diagnose einer seltenen Erkrankung wird häufig dadurch erschwert, dass die Symptome nicht eindeutig auf genau diese Erkrankung hinweisen, sondern bei einer ganzen Reihe verschiedener Krankheiten auftreten können [2-4]. Nicht selten vergehen mehrere Jahre, bis die Krankheit erkannt wird [3]. Bei Morbus Pompe gibt es jedoch wichtige Hinweise, die die Richtung vorgeben können: Muskelschwäche in Rumpf, Schulter- und Beckengürtel ist eines der deutlichsten Zeichen [2-4,7]. Kopfschmerzen am Morgen, Erschöpfung während des Tages und Atemnot bei Anstrengungen – vor allem, wenn sie eine besondere Belastung für die Atemmuskulatur darstellen, wie z. B. Schwimmen oder Singen – können auf Morbus Pompe hindeuten [2-4,7]. In der Nacht kann die Erkrankung sich durch Atmungsstörungen oder mehrfach unterbrochenen Schlaf kenntlich machen [2-4,7]. Gesetzt den Fall, man kennt die Erkrankung, fügen sich diese Facetten zu einem klaren Bild zusammen – wenn nicht, sieht man nur verstreute, anscheinend nicht miteinander verbundene Hinweise.

Sicherheit gibt ein Enzymaktivitätstest und/oder eine genetische Untersuchung [8]. Ist der Morbus Pompe erkannt, so ist der erste Schritt hin zu einer Therapie der Erkrankung getan.

Die Jüngsten am stärksten betroffen: Morbus Pompe bei Neugeborenen

Die infantile Form von Morbus Pompe wird bei einem Neugeborenen oft erkannt, weil das Kind eine markante Schlaffheit der Muskeln [2,4,9] zeigt. Schwierigkeiten beim Trinken, Schlucken oder sogar Atmen sind die Folgen einer solchen Beeinträchtigung der Muskulatur, die typischerweise auch das Herz betrifft [2,4]. Diese Form von Morbus Pompe erfordert eine besonders schnelle Diagnose, da sie lebensbedrohlich ist [2,4]. Mit der Diagnose stellt sich dann heraus, dass hinter diesen Symptomen eine ernsthafte Stoffwechselerkrankung steckt. Dieses Wissen kann für die Eltern eine schwere Belastung sein, ist aber die Voraussetzung für eine möglicherweise lebensrettende Behandlung.

Die Patient*innen haben einen großen Betreuungsbedarf – man braucht z. B. Physiotherapeut*innen und Logopäd*innen. Es gehört also ein multidisziplinäres Management dazu und in irgendeiner Form sollten die Patient*innen zumindest supervidiert werden von einem Zentrum, das Erfahrungen hat bei Kindern mit Morbus Pompe. [9]

Prof. Dr. Andreas Hahn

Kinderneurologie, Universitätsklinikum Gießen

Die Therapie umfasst verschiedene Elemente – Vernetzung ist essentiell

Für Patient*innen mit Morbus Pompe sind Atem- und Physiotherapie essentiell, um die Lebensqualität zu verbessern und die Mobilität so lange wie möglich zu erhalten [10,11]. Atemtherapie zielt darauf ab, die Atemmuskulatur zu stärken und so die Lungenfunktion zu verbessern und Atembeschwerden zu lindern. Physiotherapie kann dazu beitragen, die Muskelkraft länger zu erhalten, Gelenksteifigkeit zu reduzieren und beweglicher zu bleiben.

Eine professionelle Betreuung ist wichtig, digitale Ressourcen können für Betroffene jedoch eine wertvolle Unterstützung im Alltag bieten. Online-Plattformen und mobile Apps ermöglichen den Zugang zu Übungsprogrammen, Videoanleitungen erleichtern das Erlernen und korrekte Ausführen von Übungen zu Hause. Darüber hinaus bieten Telemedizin-Angebote die Möglichkeit, regelmäßig von zu Hause aus mit dem Therapeutenteam in Kontakt zu bleiben – vor allem für Menschen, deren Beweglichkeit aufgrund der Erkrankung stark eingeschränkt ist, bietet dies eine Chance, kontinuierlich möglichst gut betreut zu sein. Zudem erleichtert das Internet den Kontakt zu anderen Betroffenen, z.B.  durch Patientenorganisationen oder Internetforen.

Der jährlich stattfindende Internationale Pompe-Tag am 15. April bietet einen Anlass, über diese seltene Krankheit zu sprechen, mehr Menschen darüber zu informieren und Menschen mit der Erkrankung dadurch besser zu unterstützen.

Sanofi engagiert sich seit Jahrzehnten für die Erforschung und Therapie des Morbus Pompe: Besonderes Augenmerk liegt auf den Betroffenen und ihren Angehörigen, die mit vielfältigen Informationsangeboten unterstützt werden.

Mehr zum Thema Morbus Pompe gibt es in diesen Podcasts:

Think one, see one, do one, teach one: Was muss auf der Suche nach einem Morbus Pompe beachtet werden? | Zebras on Air (letscast.fm)

Floppy infant und dickes Herz – Hätten Sie an Morbus Pompe gedacht? | Zebras on Air (letscast.fm)

Seltenen Erkrankungen Aufmerksamkeit schenken

Wie der Name schon sagt: Eine seltene Erkrankung tritt nicht häufig auf. Sie wird bei maximal fünf von 10.000 Menschen festgestellt. Allerdings sind seltene Erkrankungen insgesamt keine seltene Erscheinung. Es gibt sehr viele, und sie stellen Betroffene und Ärzte vor besondere Herausforderungen. Meist bedeuten sie einen langen Leidensweg für die Patienten. Das liegt auch an ihrem komplexen Erscheinungsbild und den vielfältigen Symptomen, welche die Diagnose erschweren können.

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Referenzen:

  1. Robert Koch Institut (RKI). Rare diseases: a challenge for medicine and public health. J Health Monit. 2023 8(4). Verfügbar unter: https://www.rki.de/EN/Content/Health_Monitoring/Health_Reporting/GBEDownloadsJ/Editorial/JHealthMonit_2023_04_editorial_en.pdf?__blob=publicationFile [Letzter Zugriff: 04.03.2024].
  2. Kishnani PS et al. Pompe Disease: a Clinical, Diagnostic, and Therapeutic Overview. Genet Med. 2006;8(5):267–288.
  3. Lagler FB et al. Extent, impact, and predictors of diagnostic delay in Pompe disease: A combined survey approach to unveil the diagnostic odyssey. JIMD Rep. 2019;49(1):89-95.
  4. Taverna S et al. Pompe disease: pathogenesis, molecular genetics and diagnosis. Aging (Albany NY). 2020;12(15):15856-15874.
  5. Schoser B et al. Neuromuscular Disorders 2015,25(8):674-678.
  6. European Commission. Rare Diseases. Verfügbar unter: https://health.ec.europa.eu/european-reference-networks/rare-diseases_en [Letzter Zugriff: 04.03.2024].
  7. Zebras on Air Podcast. Think one, see one, do one, teach one: Was muss auf der Suche nach einem Morbus Pompe beachtet werden? Verfügbar unter: https://letscast.fm/sites/zebras-on-air-4b428264/episode/think-one-see-one-do-one-teach-one-was-muss-auf-der-suche-nach-einem-morbus-pompe-beachtet-werden [Letzter Zugriff: 04.03.2024].
  8. Dasouki M et al. Pompe disease: literature review and case series. Neurol Clin. 2014;32(3):751-ix.
  9. Zebras on Air Podcast. Floppy infant und dickes Herz – Hätten Sie an Morbus Pompe gedacht? Verfügbar unter: https://letscast.fm/sites/zebras-on-air-4b428264/episode/floppy-infant-und-dickes-herz-haetten-sie-an-morbus-pompe-gedacht [Letzter Zugriff: 04.03.2024].
  10. Corrado B et al. Rehabilitation management of Pompe disease, from childhood trough adulthood: A systematic review of the literature. Neurol Int. 2019;11(2):7983.
  11. Favejee MM et al. Physiotherapy management in late-onset Pompe disease: clinical practice in 88 patients. Mol Genet Metab. 2012;107(1-2):111-115. doi:10.1016/j.ymgme.2012.07.014.
MAT-DE-2401076-1.0-03/2023