Seltene Krankheiten: Frühe Diagnosen können Leben retten

Veröffentlicht am: 16. Oktober 2023
Seltene Krankheiten: Frühe Diagnosen können Leben retten
Westend61, Getty Images
Seltene Krankheiten stellen Ärztinnen und Ärzte vor Herausforderungen bei Diagnose und Behandlung. Denn obwohl mehr als 6.000 dieser Erkrankungen bekannt sind, ist ihre individuelle Wahrscheinlichkeit sehr gering. Viele Symptome und Beschwerden, die diese Erkrankungen verursachen, können auch bei anderen, häufigeren Krankheiten vorkommen. Für Patient*innen kann das schwerwiegende Folgen haben. Doch dank intensiver Forschung gibt es für immer mehr Seltene Erkrankungen innovative Therapiemöglichkeiten.

Eine Erkrankung gilt als selten, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen davon betroffen sind. Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit gehen davon aus, dass europaweit ungefähr 30 Millionen Menschen von einer Seltenen Erkrankung betroffen sind. Sie zeichnen sich oftmals durch komplexe Krankheitsbilder aus und verlaufen häufig chronisch. Seltene Krankheiten können daher mit gesundheitlichen Einschränkungen oder eingeschränkter Lebenserwartung einhergehen. Mehr als 70 Prozent sind genetisch bedingt.

Ihre Symptome können ähnlich sein wie die von verbreiteteren Erkrankungen, was die Diagnose erschweren kann. Denn Ärzt*innen versuchen in vielen Fällen zunächst häufiger auftretende Erkrankungen auszuschließen. Erst danach werden die über 6.000 Seltenen Krankheiten in Erwägung gezogen.

Morbus Gaucher und ASMD: Stoffwechselstörung mit schweren Folgen

Aber wie selten sind Seltene Erkrankungen wirklich? Tudor-Alexander Bartoi, Biochemiker im Bereich Wissenstransfer und Wissensmanagement bei Sanofi in Deutschland, erklärt: „ASMD gehört zu den ultra-seltenen Erkrankungen. Während bei Morbus Gaucher vielleicht einer von 40.000 bis 100.000 Menschen betroffen ist, sind es bei ASMD 0,4 bis 0,6 betroffene Personen pro 100.000 Menschen. Also ist es viel seltener tatsächlich anzutreffen.“

Bei den lysosomalen Speicherkrankheiten Morbus Gaucher und ASMD sind bestimmte Enzyme nicht ausreichend vorhanden oder nicht ausreichend aktiv. Diese Enzyme sorgen normalerweise dafür, dass die Lysosomen in den Zellen ihre Funktion richtig ausüben können. Sie sind so etwas wie das Recycling- und Sortiersystem der Zelle und wandeln beispielsweise Polymere in Monomere um. Dieser Stoffwechsel ist für Zellen und für den gesamten Körper wichtig. „Bestimmte Stoffe, die diese Enzyme normalerweise abbauen sollten, häufen sich bei diesen Erkrankungen in den Lysosomen an. Das kann mannigfaltige Konsequenzen zur Folge haben, weil Lysosomen in allen Zellen vorkommen“, erläutert Bartoi.

Krankheiten wie Morbus Gaucher oder ASMD können zu Symptomen im ganzen Körper führen: Entzündungsreaktionen können Schwellungen in bestimmten Organen, Schmerzen sowie sensorische oder motorische Ausfallerscheinungen nach sich ziehen.

Für bestimmte Formen von ASMD und für Morbus Gaucher gibt es Enzymersatztherapien. Dabei werden die nicht richtig oder ausreichend arbeitenden Enzyme der Patient*innen durch biotechnologisch hergestellte Enzyme, die als Infusion verabreicht werden, unterstützt. Die Entwicklung der Krankheit, die unbehandelt fortschreitet, kann damit aufgehalten und die Symptome können gelindert werden. Dafür ist eine frühe Diagnose der Krankheit aber wichtig.

Seltene Erkrankungen: in ihrer Summe alles andere als selten

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Seltene Erkrankungen treten, wie der Name schon sagt, nicht sonderlich häufig auf. Im Gegenteil: Von einer Seltenen Erkrankung spricht man dann, wenn weniger als fünf von 10.000 Menschen betroffen sind. Doch nur weil eine ganz bestimmte Krankheit für sich gesehen selten ist, bedeutet das nicht, dass es nur wenige Menschen gibt, die an einer Seltenen Erkrankung leiden. Im Gegenteil: Allein in Europa geht man von etwa 30 Millionen Patient*innen aus – einfach, weil bereits über 6.000 verschiedene Seltene Erkrankungen beschrieben sind und immer wieder neue gefunden werden. In dieser Folge sprechen wir mit Expert*innen unter anderem über ASMD, Morbus Gaucher und die Kälteagglutinin-Erkrankung.

aTTP: Diagnose der seltenen Bluterkrankung ist medizinische Detektivarbeit

Die Schwierigkeit, rechtzeitig die richtige Diagnose zu stellen, ist auch bei anderen Seltenen Krankheiten ein Problem. Astrid Szilagyi ist medizinisch-wissenschaftliche Ansprechpartnerin bei Sanofi und kümmert sich um seltene Bluterkrankungen. Die Biochemikerin weiß, wie schwierig das Erkennen von Seltenen Krankheiten sein kann – und nennt als Beispiel die aTTP, die erworbene thrombotisch-throbozytompenische Purpura: „Die Patient*innen sind in einem Moment noch aktiv und fit und können vielleicht mit ihren Symptomen, die sie haben – Kopfschmerzen, Schwindel oder ähnliches – noch zu einer Ärztin oder einem Arzt gehen. Und ein paar Stunden später können sie tatsächlich schon verstorben sein. Die Symptome sind vielfältig, man kann sie für einen Infekt halten, für Übelkeit, für Bauchschmerzen. Die Patientinnen und Patienten werden mit einer großen Bandbreite von Symptomen vorstellig und dann beginnt die Suche.“

Bei der aTTP kommt es zur Bildung von Mikrothromben in kleinen Blutgefäßen. Diese Gefäße verstopfen dadurch und behindern die Blutversorgung von verschiedenen Organen. Die Thrombozyten verstopfen aber nicht nur Gefäße, sie fehlen an anderen Stellen, an denen die Blutgerinnung wichtig ist. Es kommt zu Einblutungen unter der Haut, sogenannten Purpura.

Diese Bildung von Mikrothromben kann für aTTP-Betroffene fatale Folgen haben, denn die Blut- und somit Sauerstoffversorgung von verschiedenen Organen kann abgeschnitten werden. Besonders gefährlich ist dies bei lebenswichtigen Organen, wie der Lunge, dem Herzen oder dem Gehirn. „Das Ganze ist hochgradig akut und lebensbedrohlich und kann zu multiplem Organversagen bis hin zum Tod führen“, warnt Szilagyi. Wenn die aTTP nicht rechtzeitig erkannt und schnell behandelt wird, versterben neun von zehn Patient*innen. Mit einer Therapie steigt die Überlebenswahrscheinlichkeit allerdings deutlich.

Auch bei der aTTP sind die Symptome vielfältig und unspezifisch, es gibt Überschneidungen mit anderen Krankheitsbildern und es gibt keine Symptome, die zwingend auf die Erkrankung hinweisen. Zudem zählt die aTTP zu den äußerst seltenen Erkrankungen. Von einer Million Menschen erkranken nur rund 1,5 bis sechs Menschen jährlich an der Blutkrankheit. In Deutschland gibt es pro Jahr rund 170 Fälle.

„Ganz besonders häufig sind neurologische Symptome, Verwirrtheit, Schwindel, Sprachstörungen bis hin zum Koma. Aber es können auch einfache Bauchschmerzen sein oder kardiale Beschwerden. Die Niere ist sehr häufig betroffen, das heißt rot gefärbter Urin wäre auch ein Anzeichen. Aber all diese Symptome hat man auch bei vielen anderen Erkrankungen“, erläutert Szilagyi.

Der verminderte Thrombozytenwert im Blutbild in Verbindung mit einem bestimmten erhöhten Marker sowie unter Umständen erkennbare Zell- und Organschäden können Ärztinnen und Ärzten entscheidende Hinweise auf die Krankheit geben. Die aTTP kann dann mit einem Plasmaaustausch und speziellen Medikamenten behandelt werden, die die Blutwerte verbessern.

Kälteagglutinin: Wenige Grad machen den Unterschied

Bei der Kälteagglutinin-Erkrankung, einer Autoimmunerkrankung, werden Auto-Antikörper gebildet und ein bestimmter Teil des Immunsystems wird aktiviert. Das führt zur Zerstörung von roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Körper zuständig sind. Die Antikörper, die zur Aktivierung des Immunsystems führen, binden und verklumpen unterhalb einer Temperatur von 37 °C, also in Bereichen des Körpers, in denen die Kerntemperatur nicht gehalten wird, den sogenannten Akren: Finger, Ohren, Zehen. Dort binden sich die Antikörper an die Zielzellen und zerstören sie. Daher macht die Umgebungstemperatur einen Unterschied: Die Autoimmunerkrankung äußert sich in kalten Umgebungen anders als in warmen. Kälte kann Beschwerden auslösen oder verstärken.

Auch für die Kälteagglutinin-Krankheit gibt es mittlerweile eine zielgerichtete Therapie. Per Infusion wird ein Antikörper verabreicht, der einen bestimmten Teil des Immunsystems blockiert. Dadurch werden die roten Blutkörperchen nicht mehr zerstört und können nicht mehr verklumpen.

Innovative Forschung bei Seltenen Krankheiten

Forschung hilft, Seltene Erkrankungen wie ASMD, Morbus Gaucher, aTTP und die Kälteagglutinin-Erkrankung zu verstehen und zu behandeln. Mit innovativen Medikamenten wird versucht, die Folgen für Patient*innen zu lindern, Lebensperspektiven zu schaffen und die Lebensqualität aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen.

Seltenen Erkrankungen Aufmerksamkeit schenken

Wie der Name schon sagt: Eine seltene Erkrankung tritt nicht häufig auf. Sie wird bei maximal fünf von 10.000 Menschen festgestellt. Allerdings sind seltene Erkrankungen insgesamt keine seltene Erscheinung. Es gibt sehr viele, und sie stellen Betroffene und Ärzte vor besondere Herausforderungen. Meist bedeuten sie einen langen Leidensweg für die Patienten. Das liegt auch an ihrem komplexen Erscheinungsbild und den vielfältigen Symptomen, welche die Diagnose erschweren können.

Weitere Informationen

Weitere News & Storys von Sanofi in Deutschland

Erfahren Sie mehr über unsere Aktivitäten und Anstrengungen – egal ob aktuell, informativ oder unterhaltend.
MAT-DE-2304539-1.0-10/2023