Immunerkrankungen: Mit virtuellen Patient*innen schneller zu innovativen Medikamenten
Computersimulationen bieten Lösungen für immer komplexere Fragestellungen – auch in der Arzneimittelforschung. Dank stetig wachsender Rechenleistung können immer mehr Daten erfasst und ausgewertet werden. Damit werden Wirkstoffe heute zunehmend am Computer gefunden und erforscht. Das gilt auch für Vorhersagen, wie Medikamente im Körper wirken. Beispielweise mittels virtueller Patient*innen, bei denen relevante Faktoren wie Dosierung und Effektivität einbezogen werden. Die Gesundheitsversorgung der Zukunft nimmt bei Sanofi in der Erforschung von Immunerkrankungen schon Gestalt an.
Hören statt lesen – hier gibt es die Story auf die Ohren:
Die Entwicklung von virtuellen Patient*innen, die auf umfangreichen Datenquellen und mathematischen Modellen basieren, ist ein entscheidender Schritt in Richtung personalisierter Medizin. Diese virtuellen Abbilder ermöglichen es Forschenden, komplexe biologische Prozesse zu simulieren und vorherzusagen, wie Patient*innen auf bestimmte Behandlungen reagieren könnten. Durch die Integration von Daten aus verschiedenen Quellen, einschließlich klinischer Studien und anonymisierter Patient*innendaten, können diese Modelle die Wirksamkeit von Therapien im Voraus berechnen.
Die Fortschritte bei der Digitalisierung der pharmazeutischen Forschung machen Hoffnung: „Wir können heute schon technologisch in jede einzelne Immunzelle hineinschauen und alle Gene und Proteine in dieser Immunzellen untersuchen. Das heißt, wir sind technologisch mittlerweile so weit, dass wir hoffen können, dass uns all diese neuen Technologien helfen werden, neue Therapieansätze zu finden“, erzählt Nadine Biesemann, Sektionsleiterin in der Immunologieforschung bei Sanofi in Deutschland. Anhand neuer Methoden der Datenerfassung und -auswertung werden auch die physiologischen Zusammenhänge im menschlichen Körper immer klarer.
Komplexe Zusammenhänge einfach sichtbar machen
Dieser Fortschritt kann beispielsweise bei Immunerkrankungen entscheidend sein. Unser Abwehrsystem schützt uns vor Krankheitserregern, Parasiten, Fremdkörpern und anderen schädlichen Eindringlingen. Es entfernt auch körpereigene Zellen, die krankhaft oder entartet sind. Um dieser Aufgabe gerecht zu werden, ist das Immunsystem sehr komplex und zudem bei jedem Menschen anders. Die Immunologie widmet sich der Erforschung des Immunsystems und versucht, Lösungen für die vielfältigen Erkrankungen zu finden, an denen es beteiligt ist.
Jeder kennt sicherlich Erkrankungen wie Asthma, Typ-1-Diabetes, Neurodermitis oder entzündliche Darmerkrankungen. Das sind Krankheitsfelder, mit denen wir uns beschäftigen und für die wir Therapien entwickeln und erforschen.
Britta Wagenhuber
leitet den Bereich Translational Disease Modeling in der Immunologie
„Jeder kennt sicherlich Erkrankungen wie Asthma, Typ-1-Diabetes, Neurodermitis oder entzündliche Darmerkrankungen. Das sind Krankheitsfelder, mit denen wir uns beschäftigen und für die wir Therapien entwickeln und erforschen“, erläutert Britta Wagenhuber. Die Mathematikerin leitet den Bereich Translational Disease Modeling in der Immunologie bei Sanofi. Das heißt, sie entwickelt mit ihren Kolleg*innen im Bereich Quantitative System-Pharmakologie sogenannte mechanistische Computermodelle, die komplexe Zusammenhänge verständlich machen sollen – unverzichtbar im Bereich der Immunologie.
„Mechanistische Modelle beschreiben in mathematischen Gleichungen die biologischen und pharmakologischen Zusammenhänge. Es ist im Grunde eine Übersetzung von Physiologie und Pharmakologie in mathematische Gleichungen. Das bietet den Vorteil, dass diese Computermodelle Zusammenhänge erklären und Daten interpretierbar machen können, die sich vielleicht nicht intuitiv erschließen“, erklärt sie. In der Forschung entstehen große Datensätze, gleichzeitig wird das Verständnis des Immunsystems immer größer und detaillierter. Um all diese Informationen erfassen und verarbeiten zu können, sind daher digitale Forschungsprozesse erforderlich.
„Eine Zukunftsvision“: wie virtuelle Patient*innen die Forschung revolutionieren
In dieser Folge unseres Podcasts „Gesundheit & Innovation“ sprechen wir ausführlich mit Britta Wagenhuber und Nadine Biesemann über unsere digitale Forschung im Bereich der Immunologie.
Computersimulationen können heute schon teilweise klinische Studien ersetzen
Neben klinischen Studien und anonymisierten Patient*innendaten nutzen Simulationsmodelle auch Informationen aus Fachliteratur, Labortests und anderen Quellen. „Das heißt, vielfältige Wissensquellen und anonymisierte Daten fließen in diese Computermodelle ein, mit deren Hilfe wir in virtuellen Patient*innen klinische Studien simulieren und Vorhersagen zur Wirksamkeit von Wirkmechanismen erstellen“, ergänzt Britta Wagenhuber.
Damit lässt sich die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigen. Denn nicht nur neue Wirkstoffe können gefunden werden, sondern es kann beispielsweise auch die richtige Dosierung bestimmt werden. Auch Studiendesigns können mit den Simulationen verbessert werden, im besten Fall entfallen dank der komplexen Modelle sogar klinische Studien komplett, wie Britta Wagenhuber weiß: „Zum Teil ist es uns auch schon gelungen, klinische Studien oder Teile davon durch Computersimulationen zu ersetzen. Das bringt den großen Vorteil mit sich, dass wir die klinische Entwicklung durch innovative, computergestützte Ansätze und künstliche Intelligenz beschleunigen können, um damit dann innovative Medikamente schneller für Patient*innen bereitzustellen.“
Das Potenzial, mithilfe immer leistungsfähigerer Technologien die Möglichkeiten der Forschung weiter auszubauen, ist groß. Künstliche Intelligenz bietet neue Möglichkeiten, große Datenmengen auszuwerten. All diese Informationen fließen dann wiederum in die Verfeinerung der mechanistischen Modelle ein, die all die Prozesse und Zusammenhänge enthalten, die Britta Wagenhuber und ihre Kolleg*innen aus vielen anderen Fachbereichen bereits gesammelt und verstanden haben.
Simulationen mit realer Wirkung
Die digitalen Ansätze in der Forschung und Entwicklung haben für Patient*innen viele Vorteile. Denn Geschlecht, Alter, Vorerkrankungen, Wechselwirkungen mit anderen Wirkstoffen oder Genetik sind nur ein Teil der Einflussfaktoren, die bestimmen, wie gut ein Medikament wirkt. „Gerade bei immunologischen Erkrankungen gibt es immer wieder Patient*innengruppen, die sehr gut auf eine Medikation ansprechen, aber auch Gruppen, bei denen Medikamente nicht wirken“, erklärt Britta Wagenhuber. Damit klar wird, welche Patient*innengruppen wie auf welchen Wirkstoff ansprechen könnten, sind computergestützte Modelle ein vielversprechender Weg.
Sanofi hat bereits Computermodelle für Neurodermitis, Asthma, entzündliche Darmerkrankungen und die rheumatoide Arthritis entwickelt. „Diese Modelle sind bereits sehr robust, haben eine hohe prädikative Power und können daher gute Vorhersagen zur Unterstützung unserer klinischen Forschung und Entwicklung treffen“, sagt Britta Wagenhuber. Der Vorteil dieser virtuellen Patient*innen ist zudem, dass sie in verschiedenen Zusammenhängen eingesetzt werden können. Durch das Verändern von einzelnen Variablen versuchen Forschende zum Beispiel herauszufinden, warum die Effektivität von Arzneimitteln nicht immer bei allen Patient*innen konstant ist.
All das ist aber nur durch gute Zusammenarbeit möglich, in Kooperation von Spezialist*innen aus den Bereichen Immunologie, Pharmakologie, Medizin, Informatik und anderen Bereichen. „Es ist eine sehr intensive Interaktion zwischen den Expert*innen in der Bioinformatik, in der Digitalisierung und der Immunologie notwendig, damit wir die ganzen Datenmengen auch wirklich richtig interpretieren und die richtigen Fragen stellen“, sagt Nadine Biesemann.