Fortschritte in der Onkologie: Immuntherapien gegen Krebs
Das Immunsystem ist komplex, aber auch sehr effizient. Es verfügt über Mechanismen, um Krebszellen oder andere körperfremde Zellen gezielt ausschalten zu können. Neue Behandlungsmethoden gegen Krebsarten machen sich daher das Immunsystem zunutze. Können sie Tumore finden und vernichten?
Unser Körper besteht aus Billionen verschiedener Zellen, von denen sich tagtäglich ein gewisser Teil repliziert und somit erneuert. In diesem Prozess kann es zu Fehlern kommen, sogenannten Mutationen, die mitunter die Selbstkontrolle des Körpers beeinflussen. Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Krebs zu den häufigsten Todesursachen weltweit. Jährlich sterben etwa acht Millionen Menschen an Krebs.
Im Falle von Krebs funktionieren Regulationsprozesse nicht mehr richtig. Das heißt, die Zellen können nicht mehr mit anderen Zellen kommunizieren und dem Immunsystem mitteilen, dass es zu einem Replikationsfehler kam. Normalerweise werden diese Zellen vom Immunsystem getötet. Wenn dieser Prozess gestört ist, kommt es zu der Bildung von Tumoren. „Die Krebszellen schütten Substanzen aus, die es einer Immunzelle unmöglich machen, in diesem Milieu zu überleben“, erklärt Ercole Rao, Leiter der Arbeitsgruppe Antibody-Engineering bei Sanofi in Frankfurt. Er und sein Team arbeiten an Wegen, bei denen Antikörper zur gezielten Krebsbekämpfung genutzt werden können.
„Wir nutzen nicht nur Antikörper, sondern auch Antikörperfragmente und Nanobody-Moleküle, also sehr kleine Antikörper. So stellen wir neue Moleküle zusammen, die ganz neuen Wirkprinzipien folgen und somit neue therapeutische Optionen für Patient*innen darstellen“, führt er fort. Neben Chemotherapie und Bestrahlung gibt dieser Ansatz mehr Behandlungsoptionen für Patient*innen.
Unser Immunsystem verfügt über alle Mechanismen, die es braucht, um Krebszellen oder fremde Zellen auf den Körper zu eliminieren.
Ercole Rao
Biologe und Leiter unserer Arbeitsgruppe Antibody-Engineering
Speziell designte Antikörper können Tumorstrukturen erkennen und sich an deren Oberfläche binden. Dabei blockieren sie bestimmte Moleküle. So können sie Tumore markieren. Ihr Nutzen geht aber noch weiter: Antikörper können als Träger bestimmte Substanzen in Krebszellen bringen, wie zum Beispiel Toxine, die dann die Zelle töten können.
Immuntherapie bei Krebs: Ein Forschungsfeld, das Hoffnungen weckt
Die Immuntherapie ist ein noch vergleichsweise junges Forschungsfeld. Bisherige Fortschritte zeigen jedoch das Potenzial, das in dieser Methode steckt. Schon jetzt ist es möglich, Antikörper mit zwei Eigenschaften auszustatten. Die sogenannten bi-spezifischen Antikörper können zum Beispiel Krebszellen markieren und gleichzeitig die T-Zellen des Immunsystems anlocken, damit eine Krebszelle bekämpft werden kann. Zukünftig soll sich diese Funktionalität weiter erhöhen. Die Forschung an tri-spezifischen Antikörpern ist ein weiterer Schritt in diese Richtung.
Bei allen vielversprechenden Ergebnissen, die Hoffnung auf ein zuverlässiges Mittel gegen Krebs wecken, muss jedoch klar sein: Antikörper sind keine universelle Antwort auf Krebserkrankungen. Dazu unterscheiden sich die einzelnen Krebsarten zu sehr.
Tumore können in drei große Kategorien eingeteilt werden: Histologisch, also Tumore in der Zellstruktur; Tumore, bei denen der Kern frei von Immunzellen ist; und sogenannte immunologische Wüsten, bei denen die Tumore und das umliegende Gewebe frei von Immunzellen sind. Je nach Tumorart können bestimmte Behandlungsmethoden also ausscheiden. Wenn Tumore es schaffen, eine Immunsuppression herbeizuführen, können Antikörper nicht mehr bis zu den Krebszellen vordringen und sind somit kein geeignetes Behandlungsmittel. „Wir brauchen unterschiedliche Therapieformen, um diese unterschiedlichen Kategorien von Tumoren angehen zu können“, sagt Rao.
Künstliche Genetik führt zu neuen Wirkstoffen
An neuen Therapieformen forscht auch Fabian Bindel. Der Laborleiter in der Prozessentwicklung optimiert mit seinem Team Prozesse, mit denen sich unterschiedliche Wirkstoffe wie Biologika herstellen lassen. Eines der Werkzeuge, mit denen er arbeitet, ist das sogenannte erweiterte genetische Alphabet. Während in der Natur sich unsere DNA aus den vier Bausteinen A, C, G und T zusammensetzt, ermöglichen zusätzliche Basenpaare die Entwicklung von neuen Bauplänen für gänzlich neue Proteine.
Dass es in der Natur nur vier Basenpaare gibt, ist das Ergebnis unserer Evolution. Es ist das richtige Gleichgewicht aus unbedingt notwendiger Anzahl von Basenpaaren und Komplexität. Mit dem erweiterten genetischen Alphabet nutzen Forscher*innen nicht nur die natürlichen Basenpaare, sondern noch zwei weitere: X und Y. Mit Hilfe dieser neuen Basenpaare lassen sich dann beispielsweise SynthorinTM-Moleküle herstellen, also Antikörper mit erweiterter Funktionalität.
„Ein Antikörper ist normalerweise sehr hochgradig spezifisch. Er kann einen Krebsmarker erkennen und bindet sich gezielt da dran“, erklärt Bindel. „Krebszellen internalisieren Antikörper, sie nehmen sie mit in die Zelle, um sie dort abzubauen. Wenn wir aber an den Antikörper noch ein Zellgift koppeln, nimmt das auch die Krebszelle auf und stirbt dadurch.“
Die nicht-natürlichen Basenpaare, also der Gencode, wird dabei in ein Bakterium eingeschleust, welches dann mit diesem veränderten Bauplan neue Proteine erstellt. Damit kommt nicht die DNA, sondern nur der Wirkstoff zum Patienten.
Mit neuen SynthorinTM-Molekül-Kombinationen lässt sich unter Umständen auch die Verträglichkeit von Krebsmedikamenten verbessern. Zum Beispiel, wenn diese ein sehr umfangreiches Nebenwirkungsprofil haben, weil der Wirkstoff im Körper an mehrere Rezeptoren gleichzeitig andockt. SynthorinTM-Moleküle helfen, diesen Prozess genauer auszurichten.
SynthorinTM-Moleküle sind zum Beispiel Antikörper mit spezieller Funktionalität, die darin besteht, dass der Antikörper gezielt mit einem Zellgift gekoppelt wurde. Durch den Antikörper wird die Krebszelle erkannt, bindet an diese und die Krebszelle nimmt das Zellgift auf, wodurch sie stirbt.
Fabian Bindel
Laborleiter für Prozessentwicklung
Wirkstoffe mit Hilfe von Bakterien zu produzieren, ist ein lange erforschter Prozess. Er kommt bei allen Biologika zum Einsatz und wird zum Beispiel bei Sanofi seit Jahrzehnten zur Herstellung von Insulin verwendet. Auch in der Onkologie und der Immuntherapie gewinnen biologisch hergestellte Arzneimittel immer mehr an Bedeutung. An unserem integrierten BioCampus führen wir jahrzehntelange Erfahrung mit innovativen Forschungsansätzen zusammen, um neue Therapiemöglichkeiten für Patient*innen zu entwickeln.
Bessere Heilungsmethoden werden entwickelt, aber Krebs ist nicht besiegt
Wie wichtig verschiedene Behandlungsoptionen für Patient*innen sind, haben wir in einer Podcast-Folge erörtert. Das frühzeitige Erkennen einer Krebserkrankung spielt eine entscheidende Rolle, welche Therapieansätze in Frage kommen.
Der große Wunsch, damit Krebs vollständig zu heilen, ist jedoch wahrscheinlich nicht realistisch. Dazu ist die Krankheit zu vielfältig, wie Ercole Rao bestätigt: „Es gibt bestimmte Krebsarten, wie zum Beispiel Hodenkrebs bei jungen Männern, da haben neuartige Therapien viel erreichen können. Aber andere Tumore, wie zum Beispiel Gliome im Kopf oder Bauchspeicheldrüsenkrebs sind sehr schwer zu adressieren oder entwickeln sich so aggressiv, dass es schwer zu sagen ist, dass wir den Krebs als Ganzes heilen werden. Da haben wir noch viel zu tun, aber wir werden immer besser. Die Forschung macht großartige Fortschritte.“
Welche Krebstherapien die Zukunft bringt und welche Rolle dabei die Immuntherapie spielt
Krebsforscher stellen sich die Frage, wie man das Immunsystem des Menschen dabei unterstützen kann, Krebszellen im eigenen Körper besser zu erkennen und erfolgreich zu bekämpfen. Die Fortschritte der letzten Jahrzehnte zeigen dabei: sie werden immer besser darin, Antworten auf diese Frage zu finden. In dieser Folge des Podcasts "Gesundheit & Innovation" werfen wir daher dieses Mal einen Blick auf die Forschung und Entwicklung neuer, innovativer Behandlungsmöglichkeiten. Eine vielversprechende Entwicklung der vergangenen Jahre ist dabei die sogenannte Immuntherapie.
Dem Krebs die Stirn bieten
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO zählt Krebs derzeit noch zu einer der häufigsten Todesursachen weltweit. Und mit der immer älter werdenden Bevölkerung nimmt leider auch die Zahl der bösartigen Tumorerkrankungen kontinuierlich zu. Dementgegen stehen allerdings die immer bessere Früherkennung sowie viele innovative Therapien, die zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Erkrankung beitragen. So muss die Diagnose Krebs heute nicht zwangsläufig zum Tod führen.