Kevins Leben mit Multipler Sklerose: Die Krankheit mit 1000 Gesichtern

Veröffentlicht am: 31. Juli 2023
Kevins Leben mit Multipler Sklerose: Die Krankheit mit 1000 Gesichtern
„Als ich nach der Diagnose MS in meine Wohnung zurückkam, habe ich mich für ein Jahr darin verkrochen“, erzählt Kevin Hoffmann. Er ist einer von mehr als 280.000 Menschen in Deutschland mit Multipler Sklerose. [1] Die MS ist eine chronische Erkrankung, sie ist also nicht heilbar. Kevin erzählt, welche Auswirkungen die Diagnose auf die Psyche haben kann.

Als er die Diagnose „Multiple Sklerose“ bekam, war Kevin 23 Jahre alt. Das war vor acht Jahren. Damals hatte er gerade seine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann abgeschlossen und war in eine andere Stadt gezogen. Statt durchzustarten, wurde Kevin erst mal ausgebremst.

„Ich wollte mit niemandem darüber reden, denn ich dachte, dass mir das nur Steine in den Weg legt.“ Wer würde ihn jetzt noch einstellen? Wie sollte er eine Partnerin finden, wenn sein Leben voller Unsicherheiten war? Seine Familie und sein Freundeskreis wollten mit Kevin reden, aber er hatte einfach immer das Gefühl, dass niemand seine Situation richtig verstehen könnte.

Mögliche Frühsymptome der MS

Die Multiple Sklerose ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems (ZNS). Das ZNS umfasst die Nervenstrukturen in Gehirn und Rückenmark, die für die Verarbeitung und Weiterleitung äußerer Reize zuständig sind. Die Nerven werden durch eine Membran geschützt, die sie umhüllt, das sogenannte Myelin. Dank des Myelins werden elektrische Signale schnell und effizient entlang der Nervenbahnen geleitet. [2]

Bei Menschen mit MS identifiziert das Immunsystem das Myelin fälschlicherweise als Krankheitserreger, das Immunsystem greift es an und zerstört es. Dadurch wird die Signalübertragung der Nerven gestört und es kommt zu neurologischen Beeinträchtigungen. [2] 

Da die Symptome bei jedem anders sein können, wird die MS auch die Krankheit mit den 1000 Gesichtern genannt. Oft sind einseitige Sehstörungen ein erstes Anzeichen. Typische Symptome der MS sind z.B. Gefühlsstörungen (wie Taubheit oder Kribbeln), Bewegungsstörungen (wie Lähmung oder Steifheit), Sehstörungen (wie Doppelbilder oder ein Verlust der Sehschärfe) oder eine bleierne Müdigkeit, die auch durch Schlaf nicht besser wird („Fatigue“). [3]

Kevin fühlte sich mit der Diagnose MS allein

Seit er sein Schneckenhaus verlassen hat, in das er sich nach seiner MS-Diagnose zurückgezogen hatte, macht er Menschen Mut, es ihm gleichzutun und offen mit ihrer Erkrankung umzugehen. Sein Nachname ist eigentlich Hoffmann, aber viele Menschen der MS-Community kennen ihn als Kevin Kämpferherz.

Seine Motivation: Auf seiner Suche im Internet nach anderen Betroffenen stieß er nur auf Menschen, die in einer ganz anderen Lebenssituation waren. Beim Austausch auf Facebook wurde er sogar mit negativen und neidvollen Kommentaren konfrontiert: „Du hast doch gar nichts, mir geht es viel schlechter, heul mal nicht so rum.“ Kevin fühlte sich allein mit seinen Ängsten, Zweifeln und Sorgen.

Kevin Hoffmann über sein Leben mit MS

Kevins Mutmach-Videos zu MS sind auf YouTube zu sehen

Einen Weg aus dieser Isolation hat er mit selbstgedrehten Videos gefunden. Zunächst waren die noch voller Comedy und seine Erkrankung spielte keine Rolle. Irgendwann hat er dann aber all seinen Mut zusammengenommen und das erste Mal offen über die Multiple Sklerose gesprochen. „Ich bin von einem ins andere Extrem gesprungen, habe mich einfach vor die Kamera gesetzt und dort alles rausgelassen, was sich in den letzten zwei Jahren in meinem Kopf angesammelt hatte.“

Für Kevin war das ein Ventil und es war ihm wichtig, alles loszuwerden, ohne dass ihn jemand mit einer gut gemeinten Floskel unterbricht. Geplant hatte er es nicht, das Video zu veröffentlichen, aber er entschied sich dann doch dazu. „Ich hatte es einfach satt, mich zu verstecken, und wollte endlich Klarheit schaffen.“

So ist eines seiner wichtigsten Videos entstanden: „Mein Kampf gegen Multiple Sklerose. Teil 1: Angst“. Nachdem das Video online ging, erreichten ihn hunderte Nachrichten von Freund*innen, einige davon hatte er schon lange nicht mehr gesprochen. Entfernte Verwandte riefen an und zum ersten Mal kam er auch in Kontakt mit Menschen, denen es so ging wie ihm. Kevin merkte: „Ich bin doch nicht so allein, wie ich dachte. Wenn man erst mal im Internet über die eigene Erkrankung spricht, dann hat man keine Chance mehr, die MS zu verstecken.“

Das tut Kevin auch nicht mehr. Mittlerweile geht er offen mit seiner Erkrankung um und spricht freimütig über die Multiple Sklerose. Er möchte damit auch andere motivieren, es ihm gleichzutun. „Jetzt möchte ich die Person sein, die anderen hilft, einen Weg aus der Isolation zu finden, in der ich nach meiner Diagnose steckte.“

Kevin gründete die Kämpferherzen-Community

Kevin ist mit diesem Wunsch nicht allein, er ist Teil der Kämpferherzen-Community, die er maßgeblich mit aufgebaut hat. Er ist hier seit vielen Jahren aktiv und informiert in sozialen Netzwerken über seine Multiple Sklerose. „Das Schöne ist, dass sich die Menschen in der Community mittlerweile untereinander helfen, ganz unabhängig von mir. Wenn einer oder eine gerade Hilfe braucht, ist immer jemand für diese Person da. Wir geben uns gegenseitig Hoffnung, wir zeigen, was MS sein kann und was nicht. Wir stehen uns bei Schüben oder Rückschlägen bei. Zumindest digital sind wir immer verbunden.“

Mit seinem Kämpferherz hat Kevin schon viele Betroffene ermutigt, über ihre MS zu sprechen. „Es tut einfach gut und ich kenne bis heute niemanden, der es bereut hat. Jeder kann in seinem Tempo und auf seine Art darüber reden. Niemand muss Bloggerin oder Blogger werden und die eigene Geschichte mit der ganzen Welt teilen.“

Kevins Tipp: „Wenn Du in Deiner Familie oder in Deinem Freundeskreis niemanden findest, der oder die Dich versteht, gibt es im Internet eine große Community, die Dir zuhört, Deine Situation kennt und die Dich vor allem auch ernst nimmt.“

Mittlerweile hat sich die Community Kämpferherzen so weit vergrößert, dass sich nicht mehr nur MS-Betroffene austauschen, auch Menschen mit anderen chronischen Erkrankungen oder Behinderungen sind Bestandteil des Netzwerkes.

Weitere Einblicke von MS-Bloggern wie Kevin gibt es hier

MS-Verlaufsformen im Überblick

Die MS wird in drei Verlaufsformen eingeteilt [4]:

1. Schubförmige remittierende MS (RRMS)

Bei bis zu 90 Prozent der Patient*innen beginnt die MS als RRMS.
Einzelne Krankheitsschübe lassen sich voneinander abgrenzen. Die Beschwerden nach einem Schub bilden sich bei der schubförmig remittierenden MS ganz oder teilweise zurück. [5] 

2. Sekundär progrediente Form (SPMS)

Aus dem schubförmigen Verlauf der RRMS kann sich im Laufe der Jahre eine sekundär progrediente MS entwickeln. Dabei ist es möglich, dass in der Anfangsphase Schübe auftreten. Im weiteren Verlauf bilden sich Symptome nicht mehr vollständig zurück, sondern werden mit der Zeit stärker. Es kann dazu führen, dass einzelne Schübe nicht mehr voneinander unterschieden werden können. [5]

3. Primär progrediente MS (PPMS)

Weniger als 10 Prozent haben von Beginn an eine allmählich fortschreitende Form der MS, die PPMS. Bei ihnen verläuft die Erkrankung nicht schubförmig, sondern verschlechtert sich schleichend, Symptome gehen nicht wieder zurück. [5]

Verlaufsformen der MS

Abbildungen: Zunahme der körperlichen Beeinträchtigung für die drei Verlaufsformen der MS (modifiziert nach Friedrich D. Multiple Sklerose – das Leben meistern. Stuttgart: TRIAS, 2008)

Aktuelles aus der MS-Forschung

Um die Lebensqualität von Menschen wie Kevin so lange und so gut wie möglich zu erhalten, wird mit Hochdruck an neuen Therapien für MS-Patient*innen geforscht. Zugleich wandelt sich das Verständnis des Krankheitsbildes.[6]

Wissenschaftler*innen vermuten, dass es bei Menschen mit MS ein dauerhaft schwelendes Entzündungsgeschehen im ZNS gibt. Damit erklären sie sich, dass sich der Zustand fast aller Patient*innen mit der Zeit verschlechtert, obwohl akute Entzündungen bereits gut therapiert werden können. So richtet der „Schwelbrand“ im Verborgenen Schäden an. Das Geschehen ist selbst mittels MRT schwerer zu entdecken. Außerdem lässt es sich bisher nur schwer behandeln – einer der Gründe, warum intensiv in diesem Bereich geforscht wird.[6]

MS – eine Krankheit mit vielen Gesichtern

Die Multiple Sklerose – kurz MS – ist eine neurologische Erkrankung, die mit vielen verschiedenen Symptomen einhergehen kann und von Patient*in zu Patient*in unterschiedlich verläuft. Aus diesem Grund wird MS auch die „Krankheit der 1000 Gesichter“ genannt.

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Referenzen:

[1] https://www.dmsg.de/multiple-sklerose/was-ist-ms (Letzter Zugriff: 13.07.23)
[2] https://www.amsel.de/multiple-sklerose/ (Letzter Zugriff: 13.07.23)
[3] https://www.amsel.de/multiple-sklerose/wasistms/anzeichen/ Letzter Zugriff: 13.07.23)
[4] Aktualisierte Patientenrichtlinie Multiple Slerkose. Verfügbar unter:
https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-050p_S2e_Multiplen-Sklerose_2022-05.pdf (Letzter Zugriff: 12.07.2023)
[5] https://www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/therapiemoeglichkeiten-und-verlaufsformen/ (Letzter Zugriff: 13.07.23)
[6] https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/smouldering-ms-was-ist-das/ (Letzter Zugriff: 13.07.23)

MAT-DE-2302985-1.0-07/2023