Drugs for Neglected Diseases initiative (DNDi), die Initiative gegen vernachlässigte Krankheiten, ist eine 2003 vom Verein Ärzte ohne Grenzen e. V., der Weltgesundheitsorganisation WHO und anderen gegründete Non-Profit-Organisation.
Ihr Ziel ist, sichere, wirksame und erschwingliche Therapien für Krankheiten zu erforschen und zu entwickeln, von denen unterversorgte Bevölkerungen weltweit betroffen sind. Sanofi ist Partner der DNDi im Kampf gegen die Schlafkrankheit und weitere Tropenerkrankungen.
Finanziert von vielen Partnern, unter anderem von der Bill-&-Melinda-Gates-Stiftung, entwickelt die DNDi seit 2005 gemeinsam mit Sanofi ein Mittel gegen die Schlafkrankheit. Der Wirkstoff unterscheidet sich wesentlich von den bisherigen Behandlungsmethoden. Er wird als Tablette verabreicht, ist dadurch leicht zu handhaben und bedeutet weniger Behandlungsaufwand. Für die Januar-Ausgabe des politischen Newsletters „Standort Gesundheit“ stellte sich Professor Dr. Hänel Fragen zum Thema Schlafkrankheit.
Herr Professor Dr. Hänel, CSR bei Sanofi heißt Verantwortung für den Patienten zu übernehmen. Was bedeutet das in Bezug auf die Schlafkrankheit?
Dass Patienten nicht nur ein Bedürfnis nach wirksamen Medikamenten haben, sondern auch nach einer Art der Anwendung, die zu ihren Lebensumständen passt.
Welche Lebensumstände sind das?
Die Schlafkrankheit ist im zentralen Afrika verbreitet, grob gesagt 70 Millionen infektionsgefährdete Menschen leben auf einer Fläche mehr als viermal so groß wie Deutschland. Da gibt es dünn besiedelte Gebiete, sehr abgelegene Orte und den Dschungel.


Wir wollen mit dem Präparat eine Behandlung für alle Stadien der Schlafkrankheit kostenlos anbieten, die nur oral, nämlich in Tablettenform, eingesetzt wird.
Professor Dr. Heinz Hänel, Project Director Early Development & Management
Office bei Sanofi und für die Wirkstoffentwicklung gegen die Schlafkrankheit
verantwortlich
Was bedeutet das für die Behandlung der von der Schlafkrankheit betroffenen Patienten?
Die derzeitige Behandlung ist kompliziert und richtet sich nach dem Krankheitsstadium. Um das zweite Stadium der Krankheit zu diagnostizieren, muss Patienten Liquor in der Nähe der Lendenwirbelsäule entnommen werden. Das ist sehr schmerzhaft und beinhaltet die Gefahr einer Infektion. Die aktuellen Therapiemethoden sind nicht nur mit erheblichen finanziellen Aufwendungen in der Herstellung verbunden, sondern auch mit logistischen Schwierigkeiten bei der Verabreichung.
So müssen sämtliche derzeit verfügbaren Medikamente gespritzt werden. Diese müssen durchgängig gekühlt und einschließlich der dazu benötigten Geräte, Infusionslösungen und gegebenenfalls medizinischen Personals zum Patienten transportiert werden. Bedenken Sie, viele Patienten können es sich nicht erlauben, für zehn Tage Krankenhausaufenthalt nicht bei der Familie oder bei der Arbeit zu sein. Der ganze Prozess ist schwierig und störanfällig.
Wie unterscheidet sich der Behandlungsansatz, den DNDi und Sanofi verfolgen, von der bisherigen Behandlung?
Wir wollen mit dem Präparat eine Behandlung für alle Stadien der Schlafkrankheit kostenlos anbieten, die nur oral, nämlich in Tablettenform, eingesetzt wird. Das bedeutet, dass die Patienten einen systematischen Krankenhausaufenthalt und die Lumbalpunktion vermeiden könnten.
Wie ist es zu dem Wirkstoff gekommen?
Das ist eine lange Entwicklungsgeschichte. In den 1970er Jahren hatte unsere Vorgängerfirma, die Hoechst AG, mit der präklinischen Entwicklung des antiparasitären Arzneimittels begonnen, sie dann aber nicht weiterverfolgt. Aber für uns ist der Patient im Mittelpunkt, so steht es ja auch in unserem CSR-Report. Deswegen geriet das Mittel nicht in Vergessenheit, sondern wurde 2004 gewissermaßen wiederentdeckt. 2005 fand ich dann gemeinsam mit der DNDi heraus, dass wir noch präklinische Unterlagen über diesen Wirkstoff gegen den Parasiten im Archiv hatten, und konnte die Dokumente auch lokalisieren. Ich war dann sehr oft in Genf bei der DNDi und wir entschieden gemeinsam, die Entwicklung wieder aufzunehmen – nach einer Pause von 24 Jahren! Zwei Jahre später begannen die präklinischen Studien in der Schweiz. 2009 schlossen die DNDi und Sanofi eine Kooperationsvereinbarung über die Entwicklung, Herstellung und den Vertrieb. Die DNDi ist für die präklinische, klinische und pharmazeutische Entwicklung zuständig, Sanofi für die industrielle Entwicklung, Zulassung, Produktion und den Vertrieb.

Wie geht es weiter, damit das Medikament zu den Patienten kommt?
Da gibt es strenge Vorschriften über durchzuführende Tests in verschiedenen Phasen bis zur Zulassung eines Medikaments. Das muss so sein, denn wir verpflichten uns ja auch zum Patientenschutz in unserem Ethikkodex. Die Phase eins, das sind Studien an gesunden Freiwilligen, begann 2010 und die zulassungsrelevanten Phasen zwei und drei an Patienten in 2012. Anfang 2018 haben wir die EMA, die europäische Arzneimittelbehörde, gebeten, das Präparat zur Behandlung der westafrikanischen Schlafkrankheit zu prüfen. Die EMA veröffentlichte im November 2018 dann ein wissenschaftliches Gutachten zu den Vorteilen und Risiken der Behandlung, was die Einreichung in den betroffenen Ländern ermöglicht hat. Wir haben daraufhin zuerst in der Demokratischen Republik Kongo (DRK) eingereicht, wo die meisten Kranken betroffen sind. Die Zulassung für die DRK erhielten wir schon zu Weihnachten 2018.
Derzeit wird ein gewissenhafter Plan zur Verteilung des Medikaments in den Regionen erarbeitet. Wir haben uns gemeinsam mit der WHO zum Ziel gesetzt, die durch den Erreger Trypanosoma brucei gambiense verursachte afrikanische Schlafkrankheit in wenigen Jahren auszurotten.
Herzlichen Dank für das Interview, Herr Professor Dr. Hänel.
Großartige Neuigkeiten! In der Zwischenzeit ist die erste Lieferung des Medikamentes in der Demokratischen Republik Kongo angekommen:
Standort Gesundheit
Das Interview stammt aus der Januar-Ausgabe von „Standort Gesundheit“. Lesen Sie hier die gesamte Ausgabe mit Themen aus Politik und Unternehmen.

Fotos und Grafiken: Sanofi