Medikamente im Klimastress: Das Stabilitätslogistik-Team der abteilungsübergreifenden Serviceeinheit „FRI2Serv“ lagert Studienmuster von Arzneimitteln in Klimakammern, um ihre Widerstandsfähigkeit zu bestimmen.

Wenn Bernd Schorlemmer, Chemieingenieur und Leiter der Stabilitätslogistik bei Sanofi in Deutschland, morgens seine Abteilung betritt, weiß er, welche Verantwortung in seinen Händen liegt. Sein vierköpfiges Team lagert Sanofi-Produkte unter teils extremen klimatischen Bedingungen. Denn sobald die Studienleiter einen Wirkstoff gefunden haben, wollen sie testen, wie er auf unterschiedliche Klimabedingungen reagiert. Nur so finden sie heraus, wie lange ein Medikament haltbar ist und unter welchen Bedingungen es gelagert werden muss, damit der Wirkstoff stabil bleibt und kein unerwünschtes Abbauprodukt entsteht. So sind die Produktmuster zentraler Bestandteil der Stabilitätsstudien, mit denen die Sanofi-Wissenschaftler Wirksamkeit und Haltbarkeit von Medikamenten nachweisen. Weltweit fordern die Zulassungsbehörden Stabilitätsnachweise, bevor sie den Import erlauben.

„Wir haben eine lange Länderliste, die genau aufführt, welche Anforderungen ein Produkt je nach klimatischen Bedingungen im Land erfüllen muss“, erklärt Schorlemmer. „Im Prinzip können wir alle global vorkommenden Klimabedingungen in unseren Kammern nachahmen – von Grönland bis zur Wüste Gobi.“

Stabilitätsstudien

Mit Stabilitätsstudien erbringt Sanofi den Nachweis der Haltbarkeit von Wirkstoffen und Arzneimitteln und ermittelt die Lagerbedingungen. Die in den Klimakammern aufbewahrten Muster müssen ihre chemischen, physikalischen und mikrobiologischen Eigenschaften während des gesamten Studienzeitraums aufrechterhalten. Die Studien laufen in der gesamten Entwicklungs- und Marktphase.

Dafür betreibt Sanofi unterschiedliche Klima- und Kühlvorrichtungen, die von minus 80 bis plus 60 Grad Celsius reichen und, wenn gefordert, auch Feuchte mit einbringen können. „In einem der Räume herrschen klimatische Bedingungen wie in Brasilien. Dort ist es 30 Grad warm und es herrscht eine Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent. Da möchten Sie kein Brillenträger sein“, schmunzelt Schorlemmer. „Wenn wir dort Muster hineinbringen oder herausholen müssen, sind wir froh, wenn wir wieder draußen sind.“ Anders im „Wüstenraum“. Dort ist es zwar 40 Grad Celsius warm, doch die Luft ist trocken. „Diese Temperatur macht Ihnen ohne Luftfeuchtigkeit gar nichts aus“, so Schorlemmer.

Schritt für Schritt zum Ziel

Was für den Menschen angenehm ist, kann für Medikamente jedoch das Aus bedeuten. Insulin würde in einem solchen Raum schnell seine Wirksamkeit verlieren. Um genau einzugrenzen, unter welchen klimatischen Bedingungen ein Arzneimittel seine Wirkung behält, legen die Studienleiter für jedes Medikament fest, in welchen Intervallen sie die Muster testen.

Zulassungsrelevant

Ohne Stabilitätsnachweis wird weltweit kein Medikament zugelassen.

Bernd Schorlemmer, Leiter der Stabilitätslogistik

„Unsere Aufgabe ist es, die Studienmuster zum festgelegten Zeitpunkt zur Verfügung zu stellen. Das kann zum Beispiel nach vier Wochen, nach drei oder nach neun Monaten der Fall sein. Grundsätzlich finden mehrere Tests bis zum Ende der Studienlaufzeit statt“, erklärt Schorlemmer weiter. Die Forscher optimieren verschiedene Rezepturen der Arzneimittel wie Insulin, Salben, Tabletten oder Hustensaft so lange, bis sie in die Zulassung gehen.

„Wir lagern Zeit“

Um diesen Weg erfolgreich beschreiten zu können, trägt Schorlemmers Team Sorge dafür, dass die Klimakammern die Vorgaben der Studienleiter dauerhaft exakt erfüllen. Denn könnte ein Nachweis nicht erbracht werden, etwa weil die Studienmuster wegen einer defekten Kühlkammer verdorben sind, ist denkbar, dass die Behörden den Verkauf verbieten. „Bis wir den geforderten Beleg wieder liefern könnten, vergingen Jahre, denn wir müssten mit der Studie erneut beginnen“, gibt Schorlemmer zu bedenken. Die Studien laufen je nach Medikament zwei bis fünf Jahre. „Das heißt, wir lagern Zeit, die nicht ersetzbar ist. Niemand, auch keine Versicherung, kann den Gegenwert verlorener Studienmuster ausgleichen.“

Beim Team des Chemieingenieurs sind die Präparate aber bestens aufgehoben. Die Stabilitätslogistiker überwachen die Messwerte ihrer zahlreichen Klimakammern rund um die Uhr. Weichen sie vom Toleranzbereich ab, wird dies direkt auf Monitoren angezeigt. Zusätzlich werden die Mitarbeiter per SMS über Unregelmäßigkeiten informiert. Schorlemmer und sein Team kommen notfalls auch nachts ins Unternehmen, wenn eine Störung angezeigt wird.

Wir lagern Zeit, die nicht ersetzbar ist. Niemand, auch keine Versicherung, kann den Gegenwert verlorener Muster ausgleichen.

Bernd Schorlemmer, Leiter der Stabilitätslogistik

Metamorphose des Stabilitätslagers

Die technische Überwachung und die vielen Tests der parallel laufenden Studien halten die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stabilitätslogistik auf Trab. „Täglich nehmen wir neue Studienmuster auf, die wir je nach Studiendesign in den entsprechenden Klimakammern unterbringen, und geben bereits eingelagerte für Tests heraus“, erklärt Bernd Schorlemmer. „So müssen wir ständig wieder Lücken schließen und den richtigen Platz für neue Muster finden“. Tausende Studienmuster bewegt die Musterverwaltung durchschnittlich pro Woche. Da muss man schon cool bleiben…

Routinierte Handgriffe für das Team von Bernd Schorlemmer

 

Fotos: Andreas Reeg / Sanofi